Bedingt durch die Probleme ein freies Bett zu finden, hatte ich mich gestern Hetzen lassen. Gezielt immer auf die besten und edelsten Herbergen zu bekommen. Vorgestern bin ich an einer vorbei bzw. wollte einchecken, die war wie eine Hotelanlage gebaut. Voll.
Gestern habe ich gezielt eine kleine angesteuert, die laut Bildern Liegestühle im Garten hatte und sehr gut sein müsste. Voll.
Entsprechend hab ich mich jedes mal geärgert und gekrammt, bzw. dann gestern auch noch Hetzen lassen. Das hat unterwegs soweit geführt das ich unterwegs das Projekt Jakobsweg als solches sogar in Frage gestellt habe und durch den aufsteigeneden Massentourismus mir fast sicher war den Rest nicht mehr zu gehen nächstes Jahr.
Als ich dann gestern bei meiner Wunschherberge gegen halb zwei mit den Worten "Full . Reservation ?" begrüsst wurde und draussen die ganzen Koffer von Jakobstrans sag (Transportdienst für Pilger Gepäck), wäre mir fast der Kragen geplatzt. Reservierungen in Aubergen sind eigentlich nicht erlaubt.
Am Ende war ich dann mit meiner Laune, als ich in die einzige noch freie Herberge kam, die in einem sehr alten Gebäude resistierte.
Soweit so schlecht. Aber wozu hat das ganze schlussendlich geführt ?
Gestern war ich in einem halbverfallenen 200 Seelen Kaff bei Bruno. Dort hatte ich beim gemeinsamen Abendessen mit Q1, der Südtirolerin Helga und den ganzen Italienern den schönsten Abend bis dahin auf der ganzen Reise. Bruno ist da wirklich ein kleiner unbekannter Hort der Ruhe, den kaum einer ansteuert. Die Herberge ist nicht wirklich sehr besonders, aber durch Bruno wird Sie zu was besonderem.
Wären die anderen nicht voll gewesen und ich hätte nicht den Gewaltmarsch hingelegt - ich hätte das nie kennen gelernt.
Gestern das selbe. Diese Herberge hätte ich freiwillig nicht aufgesucht, auchwenn alles umsonst wäre.
Nebenbei, Sie war umsonst. Übernachtung, Abendessen, Frühstück für lau. Man bittet lediglich um eine kleine Spende, da sich die Herberge allein dadurch finanziert.
Das Staunen ging los als ich gegen 5 langsam wieder zum Leben erwachte und die Treppe runterkam. Die Herbersgmutter fragte gleich ob ich Kartoffeln Schälen wolle. Wollte ich nicht. Schlieslich war ich grad wieder mit Müh und Kraft auf den Beinen und Voltaren getränkt.
Als ich von einem kleinen Snack aus dem Dorf zurückkam wurde ich wieder gleich abgefangen. Messe um halb acht, Abendessen um acht. Ich solle mich nicht verspäten...????....????
An diesem Abend hatte ich meinen ersten Gottesdienst auf der Reise. Und den bis dahin ungewöhnlichsten. In der Herberge anwesend waren 49 Pilger aus 12 Nationen. An dem Gottesdienst nahmen 25 Leute Teil. Protestanten, Katholiken, russisch orthodox, Buddhisten und Hinduisten und ein Jude. Der Gottesdienst wurde von einer Ungarin gehalten auf Englisch, den je ein Pilger in die Sprachen Spanisch , Koreanisch und Italienisch übersetzte. Ein Teil, wie das Vater unser, wurde von allen auf Latein gesprochen.
Und allen hat es offenbar Spaß gemacht........
Beim Abendessen waren 47 Pilger anwesend. Die drei Herbergsdamen, eine Amerikanerin, eine Spanierin und eine Ungarin, hatte einen Linseneintopf , sowie Salat mit Schinken zubereitet und Wein aufgetischt.
Die drei hatten eine Warmherzigkeit und eine Freude an der Arbeit... sowas hab ich noch nicht gesehen. Wie sich herausstellte, machen diese das ein paar Wochen ehrenamtlich und dann kommen neue. Verwaltet von einer Agentur der spanischen Kirche.
Ein Pilger hatte eine Gitarre im Gepäck !!! und entsprechend musste vor dem Essen gemeinsam gesungen werden !! :D
Nach dem Essen gings dann richtig rund. Von wegen aufstehen und gehen. Da hätte man erst einmal an den Dreien vorbei gemusst.
Stattdessen sollten die Nationen ihr Land vorstellen, durch Reden, Singen oder Gesten in der jeweiligen Gruppe.
Fast jedes Land hat was Vorgesungen. Die Gaudi war gigantisch.
Nach dem "Songcontest" wurden die Frauen rausgeworfen und die Männer zum Spüldienst eingeteilt.
Beim Spüldienst konnte man wieder einmal sehen, wie weit uns Spanier und Italiener voraus sind. Vor allem technisch, hinken wir denen um Dekaden hinterher. Diese extrem fortschrittlichen Nationen haben offenbar transportable Personen Beamer für jedermann erfunden. Eine technologisch Höchstleistung, die eigentlich unmöglich erschien. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, wie von einer auf die andere Sekunde die ganzen Italiener und Spanier weg waren ohne sichtbar den Raum zu verlassen......noch vor den Frauen......
Das Spülen war dann eine deutsch-koreanische Gemeinschaftsproduktion......
Am nächsten morgen wurde mit Musik geweckt, das Frühstück war genauso herzlich wie das Abendessen und jeder Pilger wurde persönlich verabschiedet. Sogar getanzt hat die Spanierin in aller H
Herrgottsfrühe mit manchen. Sogar mit mir. Und das zu einer Uhrzeit wo ich mich kaum auf den Beinen halten kann und eine Ewigkeit brauche um ein paar Worte in halbwegs sinnvollen Zusammenhang zu nuscheln. Ich vermute von außen muss das wie ein Totentanz gewirkt haben......
Vorgestern Morgen vorm Frühstück bei Bruno hat Helga es treffend formuliert. Sie war schon abmarschfertig und ich kam grad aus dem Bett gekrochen und bin nach draußen gewankt.
"Hey Tim, gut siehst du aus". Nach dem ich sie völlig wortlos angestarrt habe noch ein " Ein wenig zombiehaft aber gut :)".......
Bevor ich auch nur ein Wort finden konnte gabs eine Umarmung , ein Küsschen und weg war Sie .........
Lektion
Ich war auf der suche, nach "Luxus" und Bequemlichkeit. Das beste war grad gut genug. Habe mich geärgert weil nichts so kam wie ich wollte. Offenbar hatte der Weg einige Lektionen für mich bereit.
Manchmal geht man im Leben Umwege und es kommt anderes als man es plant. Oft sieht man nicht wozu ein vordergründig "negatives/anderes" Ereignis gut ist. Darüber sich aufzuregen ist verschwendete Energie. Wenn man daraus das beste macht ist das Ergebnis oft besser, als es hätte je sein können.
Auch Freude und Glück, haben nichts mit Wohlstand und Bequemlichkeit zu tun , sondern findet man oft an den einfachen Orten wo man sie kaum vermutet. Die Hatz nach dem "besseren, führt nicht zwingend zum Ziel.
Lektion gelernt. Danke für zwei unvergessliche Abende in Bescheidenheit mit großartigen Menschen die ich nie erlebt hätte, hätte ich meinem Drang folgen können.
Der Tag
Leider sind die körperlichen Ausfallerscheinungen doch stärker als befürchtet. Heute morgen beim Schuhe anziehen, habe ich bemerkt das ich am rechten Fuss, vom kleinen Zeh zur Fussballe hin druckempfindlich bin. Ein Check ergab, keine Blase - mehr wie eine Prellung. Der Handy Akku zeigte 40% an, das Powerpac war leer. summasumarum wie ich mich fühlte.
Beim gehen machte sich der Fuss deutlich bemerkbar. Die Geschwindidkeit war gering und nach 4km bzw, 1h schon die erste Pause. Durch Umstieg auf Sandalen ging es dann besser, da die nur minmale Berührung mit dem betroffenen Bereich haben. Die 8km zum nächsten Ort waren trotz allem ein Trauerspiel.
Notgedrungen machte ich dort Stopp für heute.
Dafür wurde ich mit einer Herberge mit Riesenwiese und -endlich - Liegestühlen belohnt
Hier hab ich auch Roland den Schweizer, Kati die Südtirolerin und Brigitte die Münsteranerin wiedergetroffen.
Bis Leon - meinem Primärziel - habe ich noch 38k. Normal in 2 tagen kein Thema. Schaun wir mal......
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