07:30 - Beim Frühstück Nachrichten geschaut. Auch wenn ich nichts verstehe, war klar zu erkennen, daß in Leon Hochwasserwarnung ausgegeben wurde und bereits mehrere Straßen gesperrt sind. Temperatur 7 Grad. Ich bin so was von fehlgerüstet für den Scheiß.
Der Weg erwies sich als reine Schlammschlacht. Bereits 500m nach der Auberginen gings auf einen breiten matschigen Feldweg, den offenbar täglich eine Herde Rinder umpflügt.
12km permanent auf und ab, davon 8km Schlamm. Steil hoch und Steil runter. Dazu immer wieder Starkregen.
Der Schlamm wirkt wie Patex an den Schuhen. Bergauf geht man einen Schritt vor und rutscht einen halben nach hinten bis man teilweise Knöcheltief einsackt.
Nach ca 8km habe ich dann meinen ersten Lichtblick gehabt. Von der Ferne ein verfallenen Minigehöft. Begrüßt würde ich von einer sehr attraktiven Frau, die einen lächelnd anstrahlte mit den Worten "Welcome in Paradies City, take what you want is all free". Die Welt geht unter, man Flucht nur noch und dann so jemand. Das ist der Camino, mit seinen kleinen Zeichen wie er zu dir spricht. Selbst in der größten Scheisse gibt es Menschen, Lichtblicke die Mut und Kraft geben und den Tag erhellen können. Dieses verfallene gehöft war erstaunlich freundlich angelegt. Wie sich herausstellte lebt die Frau (mit wem auch immer, sie sagte immer "we") das ganze Jahr hier. Ihre Antwort auf Ihr Werk war lediglich" humanity". Ich muss gestehen das ich diese Lebensart nie verstehen werde. Die Frau war charmant, schön und offenbar hochgebildet. Jemand der alles haben könnte und trotzdem das Leben in der Ödnis und einfachsten, eigentlich ärmlichen, Verhältnissen vorzieht. Diese Frau hat in Ihrer Mitte geruht - das spürte man sofort. Auch wenn das kein Leben für mich ist, so beneide ich sie doch etwas für den Seelenfrieden den Sie in und durch Paradies City offenbar gefunden hat.
Die letzten km nach Astorga waren für mich ein reiner Kampf. Die Schlamm Schlacht, die Kälte, die Nässe und andauend Werbung für so ein beschissenes 4 Sterne Spa Hotel, mit Wellness Bereich.
War kurz davor mich für den Rest des Urlaubs da einzuquartieren.
Unterwegs konnte ich kaum an was anderes denken als an Fuerteventura Ventura, Spätaufsteherfrühstück an der Strandterasse und einen Martini on the Rocks an der Poolbar. Unterbrochen nur durch diverses gefluche und einen Gin Tonic mit Schirmchen auf Eis bei 25 Grad im Schatten.
In Astorga war ich bereits nach 11,5km völlig entkräftet. Der Muskelkater in den Beinen ist höllisch. Bergab gehen kaum noch möglich und jeder Bürgersteig eine Herausforderung. Dabei hab ich gerade einmal 57km hinter mir. Bedingt durch die Alternativroute und Umwege müsste ich bis zum Ende des Tages auf 86 kommen. Auf gut Deutsch ich hinken bereits jetzt einen Tag zurück.
Langsam wird das ganze zu einem einzigen dauerhaften Fight gegen den inneren Schweinehund. Die meisten haben heute Morgen den Bus genommen. Von ein paar anderen habe ich erfahren, daß Sie sich den Schlamm nicht antaten und die Straße langingen. Von was für einer Straße zum Teufel sprechen die alle ?????? Da war keine Abzweigung.
Bus fahren kommt für mich nicht in Frage. Man neigt immer dazu den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, und nach der Komfortzone zu suchen. Mein Leben lang habe ich das auch getan. Bequemlichkeit war oberstes Gebot. Nur nicht zu anstrengend. Grundsätzlich ist das auch OK. Allerdings habe ich mir geschworen das hier durchzuziehen, den harten Weg zu gehen, mir zu beweisen das ich das auch kann. Egal wie. Wenn ich auch nur einen einzigen Meter abkürze, Bus fahre oder den Gepäckservice nutze, ist das für mich wie Mogeln. Dann habe ich wieder den bequemen, einfachen Weg gewählt. Jeder hätte vermutlich Verständnisses aber ich wüsste es immer und würde mich ärgern. Ich weiß es würde sich anfühlen wie ein Versagen.
Ich werde diesen Weg gehen, richtig, ohne wenn und aber mit all den Herausforderungen, Schönheiten und Unwägbarkeiten die er bereit hält. Und wenn ich schwimmend oder auf dem Zahnfleisch kriechend in Santiago ankomme.
Heute mache ich schon nach 16km Stopp. Bin einfach am Ende. Morgen kommt der Berg der Qualen, hoch auf 1500m.
In der Auberge noch zwei sehr nette südtirolerinnen kennen gelernt. Haben das selbe Ziel.
Ich finde es gut, daß du durchhälst!. Ohne Schummeln, ohne Abkürzung! Sehr gut!
AntwortenLöschenGruß
- Matthias