Samstag, 14. Mai 2016

Tag 9 - Bergtour

Die Nacht war hart.  Gestern hab ich mich in einer netten kleinen Herberge einquartiert.  Der Bettenraum mit 10 Betten -  früher wohl ein Stall -  war liebevoll umgebaut.  Leider hat man dabei die Fenster vergesse - entsprechend hat es die Nacht gestunken. Das Bad war entsprechend abenteuerlich.  Ein kleiner Raum mit einer Bodentoilette und eine Brause an der Wand.  Das wars. Sauerei pur.



Frisch gestärkt ging es dann heute Morgen los.  Bei brütenden 6 Grad. Ich hab meist 2-3 Lagen Sommerkleidung an.  Waschen kann ich nur wenn ein Trockner da ist. Ohne trocknet das meiste nicht,  bei den eissigen Temperaturen.

Gestern ging es fast 400m stetig bergauf und entsprechend verschwitzt war ich.  Heute kommt Nieselregen noch dazu.  Auf gut deutsch ich stinke wie ein nasser Hund -  was vielleicht erklärt warum unterwegs jeder Hund zu mir gerannt kam.

Der Weg hat es echt in sich. Saukalt,  schmuddelig,  ständig Regenschauer,  Nebel mit Sichtweisen unter 50m und dann der Weg.  Rauf von 900 auf 1200, runter auf 1100, hoch auf 1250 runter auf 1100 hoch auf 1300. Das Höhenprofile gleicht dem EKG eines im Fieberwahn liegenden.  400m Höhenunterschied hört sich erst mal nicht viel an,  man muss sich aber vor Augen führen,  das dies rund 2000 Treppenstufen zusätzlich sind zur Entfernung.  Wenn es dann noch andauernd auf und ab geht hat man zum Schluss weit mehr als 1000 Meter Höhenunterschied genommen. Das kostet enorm Kraft.













Für die ersten 2,5km hab ich 1h gebraucht.  Den Restweg den Olga gestern noch ging. Wie die das noch geschafft hat.....
Als ich Sie kennen lernte dachte ich Sie wäre Sportlerin,  like Marathon,  triathletin oder sowas. Wie sich herausstellte war Ihre längste Wanderung bis dahin einmal 32km und sonst macht Sie nur etwas Fitness auf dem Crosstrainer.  Dafür hat Sie aber eine Tumoroperation hinter sich. Entsprechend ist Sie selbst erstaunt wie sehr sie über sich herauswächst.

Leider holen mich dafür die kleinen Wehwehchen ein -  allen voran mein Sprunggelenk. Unterwegs hab ich noch Norbert getroffen,  der mir mit zusätzlicher Schmerzsalbe aushalf und vorschlug ein Taxi zu nehmen. Für einen kurzen Moment hab ich tatsächlich drüber nachgedacht.  Tagesziel waren 27km -  no way bei dem auf und ab mit dem Fussgelenk.  Aber das ist und bleibt ein nogo.

Nach 17km kam ich zu einer Auberge zum pausieren.  Mittlerweile hatten wir schon 3 Uhr und ich war 6 1/2h on tour.  Noch 9km Abstieg vor mir,  zwischenzeitlich hat wieder Dauerregen eingesetzt,  der Fuss tut weh,  ich war völlig durchnässt,  es war kalt und schmuddelig,  in der Herberge wars mollig warm,  die haben Duschen,  Waschmaschine und Trockner.......


Tag 8 Rekorde

Gestern noch mit Olga zum Frühstück verabredet. Glücklicherweise braucht Sie auch Kaffee zusammen und steht als letzte auf. Die Frau wird mir immer sympathischer. Sie plant wieder 35km,  ich nur 25km -  max, wenn's gut läuft. Da es dort nur 15 Betten gab reservierte sie sicherheitshalber.
Schon beim aufstehen ging das Geschnacke wieder los. Leider gab's Stromausfall. Der ultimative Supergau.  Keine einzige Kaffeemaschine ging mehr.

Da Sie eh wesentlich schneller ist als ich bin ich schon mal vorgefallen,
Richtung nächstes Dorf in 2km Entfernung. Der Muskelkater und das linke Fußgelenk machen immer noch Probleme.

Erstmals Voltarengetränkt ging's dann los -  im Affenzahn, man hat ja auch seinen Stolz. Auf der halben Strecke war sie dann rund 50m hinter mir und ich dachte mir dann können wir auch den Rest zusammen gehen,  kurzfristig werde ich den Pace mitgehen können.  Gesagt getan.  Dumm nur das dort auch Stromausfall war. Das nächste Dorf 6km entfernt.  Dort haben wir noch Michael kennen gelernt aus Dänemark der auch Kaffee bräuchte.  Mit leerem Magen und bedrohlich tiefem Koffeinspiegel gings  dann weiter.


Ich weiß nicht wie ichs gemacht habe aber wir kamen immer noch zusammen nach 8km an und ich hatte mein Frühstück mit Olga.  Gott alleine weiß wie nötig ich das hatte.  Nicht so sehr das Essen aber die Pause.....


Olga hatte schon damit gerechnet das ich die Pause ausdehne und fragte mich entsprechend. Nach 25 min war ich aber auch wieder halbwegs normal am Atmen.  Paar Meter kann ich dann ja auch noch mitgehen.  Ihre nächste Pause war erst 2 Ortschaften,  11km weiter zum Mittagessen geplant. Also gesagt getan und losgedackelt.

Da merkte ich dann wie sehr Sie vorher noch Rücksicht nahm und wie schnell Ihr eigentlicher Tritt ist wenn Sie mal auf Touren kommt. Also Zähne zusammenbeißen und mitgelaufen.  Ein Indianer kennt bekanntlich keinen Schmerz - pffft. Muahaha. Scheiß Spruch.

Ich weiß nicht mehr wie aber wir kamen zusammen an.
Rekord 1. 19km in 3:20 mit 25 min Pausen.
Nichts geht mehr.  Mein Durchschnittspuls beim laufen ist zwischen 110-115. Auf der Strecke jetzt bei 139.



Dummerweise sagte Sie mir wie Stolz Sie ist,  das ich mithalten könnte und wieviel Ihr das zurückgäbe. Nach einer h und noch mehr Voltaren gings dann zusammen weiter. Man(n)  hat ja auch seinen Stolz. Ich muss echt mal über einen Liefervertrag mit dem Hersteller nachdenken. Der Däne - eigentlich sportlich und schneller als ich,  verabschiedete sich,  da er langsamer machen musste.  Urgs. Das sagt alles.

Glücklicherweise braucht auch Olga nach dem Essen ein wenig bis Sie wieder auf Touren kommt. Danke liebe Gott,  danke,  Dank angenehmer Gesellschaft vergingen danke. Die nächsten 7km vergingen wie im Fluge und wir erreichten -  immer noch zusammen,  unglaublich -  mein Tagesziel nach 24km und die Verabschiedung stand an.

Drauf hatte ich ja nun gar keinen Bock. Kurzerhand begleitete ich Sie dann noch zum nächsten Dorf in 3km Entfernung,  Die Strecke und Zeit war herrlich.  Viele gute Unterhaltungen und viel Gelächter. Angekommen hatten wir noch einen Kaffee zusammen und die Verabschiedung stand an.

Kurzerhand begleitete ich Sie dann noch zum nächsten Dorf am Fuss des Berges,  mit dem nächsten Höllenaufstieg. Vor der Herberge stand dann die Verabschiedung an.  Ein Blick auf die Herberge,  ein Blick auf den Berg, ein Blick auf Sie.

Kurzerhand entschied ich mich Sie zum nächsten Dorf zu begleiten,  in 3,5km Entfernung und 400 Höhen Meter unterschied über uns.  Alles tat jetzt schon weh.  Power auf Reserve. Schwerer Fehler. Der Aufstieg war Hammerhart.


Ohne die Energie die Sie abgab,  wäre ich da nie angekommen.  1km vorm Ziel konnte ich erstmalig  nicht mehr mitkommen und viel etwas zurück. Im Ort La Fargo,  vor der Bar stand dann die Verabschiedung an.

Ihre Herberge war nur 2, 5 km weiter.
Nein kein erneutes Dejavu. Nichts ging mehr.  Völliges System versagen. Nach 32km, zweiter Rekord Dank der Hammerfrau, das Risiko kein Bett zu bekommen zu hoch.

Also Zähne zusammengebissen, Abschiedsfoto gemacht,  grosse Umarmung, gelächelt,   ihr noch hinterher gewinkt bis Sie um die Kurve war und an Ort und Stelle erst mal ordnungsgemäß Zusammengebrochen - was lautstark zur Belustigung der anwesenden Bargäste beitrug. Ok,  wenn man mit Rucksack vor einer Bar rücklings auf dem Boden liegt,  alle 4e von sich streckt und nach Luft schnappt wie ein sterbender Fisch passiert das halt schon mal.

Dann war Sie weg.

Nach diversen Wiederbelebungsversuchen mit Bier, gings dann ins Zimmer weiter sterben. Da warteten,  immer noch lachend,  Norbert und Hans,  welche die Szenerie mitbekommen haben. Beide hab ich nun schon mehrfach getroffen und dann später zusammen gegessen.

Donnerstag, 12. Mai 2016

Tag 7 - Viva la Hungria

Es kam wie es kommen musste.  Der Wetterbericht hatte recht.  Es regnet mal wieder.  Wenn verwunderts,  im Sonnenstaat....  Aber das hatten wir ja schon.

Nicht desto trotz habe ich versucht aufzustehen.  Schwerer Fehler. Ich hab den Muskelkater meines Lebens in den Beinen.  Den hatte ich selbst nach der Pyränen Überquerung nicht so krass. Beide Waden quittieren den Dienst,  die Oberschenkel -  danke Mama hat den Schienbein echt geholfen -  sind völlig im Arsch. Wie ein behinderter bin ich die Treppe zum Frühstücksaal runter gerobbt. Die Treppen runter bekam ich gegrinse, Gelächter und ich glaub einer murmelte was vom Notarzt.....
Die Morgentoilette musste dann auch ausfallen,  den die Badezimmer waren im Keller....
 Also erst mal ein nettes Frühstück mit Adele und Ihrer Mutter.  Adele hat einen Jugendlichen Charme.....



Geplant war ein Shorttripp von 7km nach Ponferata und dann den Tag pausieren.  Vorweg 1. Kommt es anders und 2.zum Glück.

Mit höllischen Muskelschmerzen -  selbst in der Brust und den Schultern -  gings dann los.  Strömender Regen,  7 Grad. Kalte schmerzende Muskeln.  Eine Tortur einer Folter gleich.
Interessanter Weise ist aber der Körper -  auch wenn man Fett ist -  eine Kampfmaschine mit unglaublichen Anpassungs- und Regenerationsfähigkeit. Nach 10 Minuten Qualen gings langsam. Als die Muskeln langsam auf Temperatur kamen -  soweit das Möglich ist bei den eissigen Temperaturen - konnte ich "fast"  Schmerzfrei laufen -  so lange es Eben war.

Mit mir selbst beschäftigt habe ich natürlich prompt eine Abzweigung verpasst und bin vom Camino abgekommen.  Aber das wäre nicht Spanien mit seinen fantastischen Einwohnern,  wenn dich nicht gleich wieder ein Spanier einfangen und zurück zu dem Camino geleiten würde.  So war denn der Umweg nicht mal 1 km lang.

Ponferata war nix besonderes.  Nichts wo man einen Tag bei Regen pausieren möchte,  alla Burgos oder Leon.




Da mir zwischenzeitlich Schwimmbäder gewachsen sind und ich langsam die Kiemenatmung perfektioniere,  kam ich trotz Starkregen gut voran.
In Ponferata war dann erst nach 8km die erste Pause und siehe da wer da saß -  Adele :)  Minuten später kamen noch Tanja und Sandra rein.  Beide hatte ich am Vortag kennen gelernt und den Abend verbracht.  Tanja ist HNO Ärztin aus Wiesbaden.  Der Däne Jean kam dann auch noch dazu.  Die Pause war ausgiebig.  Sehr ausgiebig. Obwohl alle das selbe Ziel haben,  wie ich mittlerweile auch -  entschied ich mich doch alleine zu gehen.  Zu unsicher war ich mir mit meinem Muskeln.  Ausserdem bin ich auch noch zusehr mit mir selbst beschäftigt.  Gesellschaft ja,  aber nicht beim laufen. Die Zeit brauch ich noch für mich selbst.




Es regnete,  ohne Ende.  Gegen 2 ging der Stark  in ein "Bindfäden"  Regen über.  Voller überschwang habe ich die Reste meines Ponjos  beim anziehen auch noch zerfetzt und dann gleich weggeschmissen.  Also weiter ohne Regenschutz. Obwohl es saukalt war und ich völlig durchnässt,  hat er mir kaum was ausgemacht.  Oft hatte ich sogar die Kapuze unten und die Kappe ab. Irgendwie wars erfrischend. Nicht zuletzt dank Sandra. Um mir den Namen zu merken,  benutzte ich eine Eselsbrücke. Sandra, sunny,  sunshine.  Fortan hatte ich den halben Weg die Melodie und das Lied im Ohr....  you are my sunshine, my little sunshine........ das ich laut gepfiffen und gesungen hab -  bei strömenden Regen.

Die letzten 5km der heutigen 25km waren allerdings wieder Hardcore - trotz Schwimmhäuten. Bei dem Wetter die Muskeln auf Betriebstemperatur zu halten ist nicht leicht.  Kühlen die aus,  wird es sehr schmerzhaft,  was heißt langsam gehen aber kaum Pausen. Die Gelenke beschwerten sich und langsam ging mir die Kraft aus. Aber ich hab trotz wiedrigster Umständen mein Ziel erreicht.  Offenbar als einziger derer dies planten.

Wie ein toter bin ich nach einer heißen Dusche ins Bett gefallen. Nach ca.  30 min kam Sie.  Die Ungarin Olga.  37km -  in Worten siebenundreisig -  ist die Frau heute gelaufen,  inkl.  dem Horrorabstieg. 49km war Ihre Tageshöchstleistung,  wie Ihre App verriet. Die macht den Camino nicht in 34/36 Tagen, was taff ist,  die macht in in 24 Tagen.

Die Frau kam rein und schon 5 Minuten später waren wir nur noch am Schnacken und Lachen.  Es kommt selten vor das man einen Fremden trifft und das Gefühl hat man kennt sich ewig.

Die Frau kam nach der Strecke rein,  war nicht einmal im Bett,  nur kurz Duschen und umziehen -  als käme Sie gerade aus dem Büro.  Alles in allem 45 Minuten vom reinkommen,  bis wir gemeinsam Essen gingen und den Abend verbrachten.
Wäre sie nicht schon verheiratet, ich hätte Sie vom Fleck weg, ohne weitere Fragen vor dem nächst besten Traualtar geehelicht. Die Frau ist der Hammer, in jeder nur denkbaren Art.




Wirklich selten, habe ich mich mit jemanden auf Anhieb so gut verstanden. Und das auch noch auf Englisch.  Der Abend war viel zu kurz.
Morgen Frühstücken wir noch zusammen,  dann zieht Sie los -  wieder 35km. Unerreichbar für mich.

Und wieder lehrt der Camino seine Lektionen. Hätte ich nicht auf die Auszeit kurzer Hand verzichtet,  nicht die Schmerzen überlaufen,  dem Wetter getrozt,  hätte ich diese unglaubliche Frau nie kennen lernen können. Manchmal weiß man erst hinterher wozu all die Strapazen gut sind.

Mittwoch, 11. Mai 2016

Tag 6 - Hardcore

Der Tag hat wunderbar gestartet.  Die Nacht hat es zwar leicht gefroren im Sonnenstrahlen,  dafür hatten wir aber ein traumhaftes Wetter.  Strahlend blauer Himmel.
Irgendwie hat es mich dann auch nicht gewundert,  das Ringsum auf
den Bergen noch Schnee liegt.
Mit großer Motivation sollte es 28km bis nach Ponferata gehen.







Nach 2,5km kam Cruz de Fera.  Diese Stellen findet man öfter hier aber nur 2 sind so bekannt.  Pilger aus aller Welt bringen einen Stein mit,  oder etwas persönliches und legen es dort ab.  Diser Gegenstand symbolisiert ein Problem das man auf dem Weg ablegen möchte,  oder einen Menschen,  egal ob verstorben oder geschieden den man loslassen möchte.

Es ist erstaunlich wie der Körper sich an die Strapazen anpasst.  Genauso erstaunlich wie der Weg neue Herausforderungen bereit hält. Mit einer Wanderung in Deutschland hat das so gar nichts mehr zu tun. Die Belastung ist um ein vielfaches größer,  was klar wird wenn man den Weg sieht.








Jeden Schritt ist man am rutschen,  umknicken oder stolpern. Das ganze ist dann nicht nur stellenweise sondern insgesamt 15km in dem Zustand. Die Landschaft war traumhaft aber der Weg höllisch zu laufen.
Nach 20km war ich am Ende.  Selbst eine große Pause hat nicht mehr geholfen.  Waden verhärtet, Fußgelenk geschwollen,  Knie schmerzt,  Oberschenkel fühlt sich an als Stünde ich kurz vor einer Zerrung.

Fuerteventura,  das nächste mal wird definitiv Fuerteventura

Heute ist Koreanischen Abend.  Die Herberge ist mit Koreaner überlaufen. Es ist faszinierend was für ein Schmelztiegel an Nationalitäten hier ist, genauso wie Religionen. Juden,  Christen Buddhisten,  Brasilianer,  Japaner,  Koreaner,  Amerikaner,  Europäer,  alle vereint in einem gemeinsamen Ziel, einer Aufgabe.  Jeder unterstützt den nächsten,  alle sind nett und freundlich,  es gibt keinen Streit,  keine Begehrlichkeiten, nur Aufgeschlossenheit. Nur Muslime findet man hier leider nicht. Da hat der Islam echt noch Nachholbedarf in Aufgeschlossenheit und Weltoffenheit.  Kaum einer ist aus religiösen Gründen hier.
Unterm Strich bilden sich 2-3 Gruppen,  die sich immer wieder Zusammenfinden.  Zum einen die Spanisch,  Italienisch und Portugiesisch sprechenden Länder,  die Koreaner welche oft nur schlecht Englisch können und dann der Rest im Englischen vereint.  Während ich das Tippe sitz mir gegenüber eine Gruppe Koreaner (Tom und Frau) mit einem Deutschen und einen den ich nicht kenne beim Kartenspielen und lachen. Ein Engländer hat sich gerade noch dazu gesellt.



Beim Abendessen waren wir fast nur Deutsche -  die im Moment fast 40% der Pilger stellen schätze ich. -  und 2 Koreanierinnen.  Mutter und Tochter.  Sie -  Adele -  bereist Europa und dann die USA um zu schauen wo sie künftig arbeiten will.  Studiert hat Sie Industriedesign und kann sich wie Sie sagt in Korea nur bedingt entfalten als junge Frau mit geringer Berufserfahrung.

An diesem Ort,  diesem Weg,  ist es fast als sei die Menschheit in Glück und Frieden vereint.

Unterwegs Strahlen dich die Brasilianer von gestern Abend an,  Tom der Koreaner (Physiotherapeut)  hat meine Fußgelenk untersucht.........Alle sind wie eine Familie hier.

Mal schauen ob ich morgen noch laufen kann oder pausieren muss. Ponferata ist nur 8km weg und die letzte größere Stadt vor Santiago Einen Tag Pause hatte ich eh geplant -  und morgen soll es meistens Regnen.......

Dienstag, 10. Mai 2016

Tag 5 - Aufstieg nach Foncebaron

07:00 Regen.  Es ist Saukalt.  Das Thermometer zeigt gerade mal 5 Grad.  Für alle die sich am Main den Pelz verprutzeln lassen,  in Worten F Ü N F.  Nicht 25. Fünf. Natürlich regnet es,  Instinktiv warte ich auf Schnee -  viel fehlt ja nicht mehr.  Gut das ich nicht in den kalten Norden geflogen bin. Da hats nur um die 20 Grad.



Die Herberge war auch nicht der Brüller,  vor allem unbeheizt, dafür sauteuer. Voller "Motivation",  gings dann auf die Pirsch. Habe immer noch Muskelkater in allen Knochen und bei dem Wetter werden auch die Muskeln nicht warm.  Heute steht ein Aufstieg auf 1400/1500m an. Hab dann nach 4 km die erste Pause für ein zweites Frühstück eingelegt und mich für ein drittes eingedeckt. Könnte essen ohne Ende im Moment, allerdings ist hier alles auf Baguette und das liegt wie Blei im Magen.
Nach 9 km gab's dann die zweite Pause.  Der nächste Ort ist 7km weg. Unterwegs Maria aus Australien kennen gelernt.  Eigentlich gehe ich im Moment lieber alleine,  da ich die meiste Zeit noch im Kampfmodus verbringe und zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin.  Allerdings kam die Abwechslung sehr gelegen und zusammen gingen die 7km rum wie nix.  Allerdings ist dort ihr Schlusspunkt für den Tag.  Da Ihr Rucksack zu schwer ist benutzt Sie den Gepäckservice.  Eigentlich wollte sie einen neuen kaufen und Sachen zurückschicken.  Allerdings alleine das kostet schon 150 Euro.  Erinnere mich noch 2014 als ich für ein paar Schuhe 45 Euro zahlen müsste.  Spanische Post ist abartig. Da kann ich gleich DHL Express machen.



In Buxtehude am Arsch der Welt die drei Berlinerinnen zielgerichtet in einer Kneipe aufgespürt. Dabei erzählte mir Steffi das Sie in einer Herberge reserviert haben,  weil die einen Kamin haben.

Kamin -  Feuer -  Wärme. Ich Ich Ich,  da muss ich hin.....



Beim losgehen kam der Berg -   und der Blick auf 2 Berghänge weiter,  auf denen noch Schnee liegt. Gut das ich ins sonnige Spanien geflogen bin und nicht...  Aber das hatten wir ja schon.
Aufgrund eines schmerzenden Fussgelenks und Fussaua viel die Pause etwas ausgedehnter aus.  Noch 5,9km bis zum Ziel,  bisl bergauf, 1h 15 max dachte ich.  Um 2 bin ich los.

Der Weg war ein ausgetretenen, steiniger und stellenweise überfluteter Ziegenpfad. Ich kam kaum voran.  Die meisten gingen einfach auf der Straße...... Ich nach der Hälfte dann auch.  Das war nicht mehr vertretbar.






Unterwegs habe ich dann bemerkt,  daß rund 10 Leute knapp hinter mir sind. Es war 3, als mich plötzlich die Angst überkam kein Bett mehr zu bekommen. Die meisten laufen nur bis ca.  2 und kehren dann ein.  Die hinter mir gehen garantiert auch nicht weiter und soviel Betten hat's in den abgelegenen Bergkaff nicht. Die letzten 2,5km Aufstieg glichen einem Rennen.  Wie ein gehetzter bin ich der Berg förmlich hochgehalten.  Alles ohne Pause.  Gott ich hasse das. Das ist genau das was ich nicht wollte. Völlig außer Atem,  restlos durchgeschwitzt und mit 140 Puls kam ich dann nach 4 in der Herberge an.  Es hatte heute kaum geregnet,  aber aus meinen Shirts kann man das Wasser rausdrehen.

Es war unbegründet.  Die Herberge ist selbst jetzt noch nicht ausgelastet. Dafür wurde ich an meinem Hochbettt von der Finnin Petra äußerst Charmant begrüßt. Nach eine wenig plauschen,  schwärmte Sie von der erholsamen Wirkung einer heißen Dusche -  OK der Wink kam an.  

Den Rest des Abends werde ich vor dem Kamin verbringen.  Da bekommt man mich nur noch mit einem Brecheisen weg.  Auffällig ist im Moment wie überproportional hoch der Frauenanteil ist die alle alleine oder in wilden Gruppen unterwegs sind.

Morgen kommen dann auch wieder abstiege.  Obwohl ich mich heute völlig ausgepowert habe,  bin ich erstaunlich fit.  Bergauf liegt mir einfach mehr als Bergab. Petra geht's nebenbei genauso.  Sie führt das auf ausgeprägte Waden zurück,  contra schwachem Schienbein.  Die Herausforderung kommt also morgen.

Montag, 9. Mai 2016

Tag 4 - Hölle

07:30 -  Beim Frühstück Nachrichten geschaut. Auch wenn ich nichts verstehe,  war klar zu erkennen,  daß in Leon Hochwasserwarnung ausgegeben wurde und bereits mehrere Straßen gesperrt sind.  Temperatur 7 Grad.  Ich bin so was von fehlgerüstet für den Scheiß.

Der Weg erwies sich als reine Schlammschlacht.  Bereits 500m nach der Auberginen gings auf einen breiten matschigen Feldweg,  den offenbar täglich eine Herde Rinder umpflügt.
12km permanent auf und ab,  davon 8km Schlamm.  Steil hoch und Steil runter.  Dazu immer wieder Starkregen.
Der Schlamm wirkt wie Patex an den Schuhen.  Bergauf geht man einen Schritt vor und rutscht einen halben nach hinten bis man teilweise Knöcheltief einsackt.






Nach ca 8km habe ich dann meinen ersten Lichtblick gehabt.  Von der Ferne ein verfallenen Minigehöft.  Begrüßt würde ich von einer sehr attraktiven Frau,  die einen lächelnd anstrahlte mit den Worten "Welcome in Paradies City, take  what you want is all free".  Die Welt geht unter,  man Flucht nur noch und dann so jemand. Das ist der Camino,  mit seinen kleinen Zeichen wie er zu dir spricht.  Selbst in der größten Scheisse gibt es Menschen,  Lichtblicke die Mut und Kraft geben und den Tag erhellen können.   Dieses verfallene gehöft war erstaunlich freundlich angelegt.  Wie sich herausstellte lebt die Frau (mit wem auch immer,  sie sagte immer "we")  das ganze Jahr hier.  Ihre Antwort auf Ihr Werk war lediglich" humanity".  Ich muss gestehen das ich diese Lebensart nie verstehen werde.  Die Frau war charmant,  schön und offenbar hochgebildet. Jemand der alles haben könnte und trotzdem das Leben in der Ödnis und einfachsten,  eigentlich ärmlichen,  Verhältnissen vorzieht.  Diese Frau hat in Ihrer Mitte geruht -  das spürte man sofort. Auch wenn das kein Leben für mich ist,  so beneide ich sie doch etwas für den Seelenfrieden den Sie in und durch Paradies City offenbar gefunden hat.



Die letzten km nach Astorga waren für mich ein reiner Kampf.  Die Schlamm Schlacht,  die Kälte,  die Nässe und andauend Werbung für so ein beschissenes 4 Sterne Spa Hotel,  mit Wellness Bereich.
War kurz davor mich für den Rest des Urlaubs da einzuquartieren.
Unterwegs konnte ich kaum an was anderes denken als an Fuerteventura Ventura,  Spätaufsteherfrühstück an der Strandterasse und einen Martini on the Rocks an der Poolbar. Unterbrochen nur durch diverses gefluche und einen Gin Tonic mit Schirmchen auf Eis bei 25 Grad im Schatten.



In Astorga war ich bereits nach 11,5km völlig entkräftet.  Der Muskelkater in den Beinen ist höllisch.  Bergab gehen kaum noch möglich und jeder Bürgersteig eine Herausforderung. Dabei hab ich gerade einmal 57km hinter mir.  Bedingt durch die Alternativroute und Umwege müsste ich bis zum Ende des Tages auf 86 kommen.  Auf gut Deutsch ich hinken bereits jetzt einen Tag zurück.

Langsam wird das ganze zu einem einzigen dauerhaften Fight gegen den inneren Schweinehund. Die meisten haben heute Morgen den Bus genommen.  Von ein paar anderen habe ich erfahren,  daß Sie sich den Schlamm nicht antaten und die Straße langingen. Von was für einer Straße zum Teufel sprechen die alle ?????? Da war keine Abzweigung.
Bus fahren kommt für mich nicht in Frage. Man neigt immer dazu den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen,  und nach der Komfortzone zu suchen.  Mein Leben lang habe ich das auch getan.  Bequemlichkeit war oberstes Gebot. Nur nicht zu anstrengend. Grundsätzlich ist das auch OK. Allerdings habe ich mir geschworen das hier durchzuziehen,  den harten Weg zu gehen,  mir zu beweisen das ich das auch kann.  Egal wie. Wenn ich auch nur einen einzigen Meter abkürze, Bus fahre oder den Gepäckservice nutze,  ist das für mich wie Mogeln.  Dann habe ich wieder den bequemen, einfachen Weg gewählt.  Jeder hätte vermutlich Verständnisses aber ich wüsste es immer und würde mich ärgern. Ich weiß es würde sich anfühlen wie ein Versagen.
Ich werde diesen Weg gehen, richtig,  ohne wenn und aber mit all den Herausforderungen,  Schönheiten und Unwägbarkeiten die er bereit hält.  Und wenn ich schwimmend oder auf dem Zahnfleisch kriechend in Santiago ankomme.

Heute mache ich schon nach 16km Stopp.  Bin einfach am Ende.  Morgen kommt der Berg der Qualen,  hoch auf 1500m.
In der Auberge noch zwei sehr nette südtirolerinnen kennen gelernt. Haben das selbe Ziel.

Sonntag, 8. Mai 2016

Tag 3 - Schwimmen

Heute morgen hab ich jeden Muskel gespürt,  inkl.  beider Fussgelenke und den Armen.  Da kündigt sich ein kräftiger Muskelkater an.  Die erste Blase ist auch schon da.

Draußen regnet es Bindfäden.  Zeit meinen nagelneuen Ponjo zu testen. Allerdings macht der Blick aus dem Fenster nicht wirklich Lust aufs marschieren.

Gesagt getan,  Ponjo angelegt und zerrissen.  Toll,  jetzt seh aus wie eine überdimensionierte knallgelbe Quitscheente die nicht dicht ist.



Die ersten Minuten waren ätzend,  bis die Muskeln warm wurden.  Dafür haben Regen und Wind erbarmungslos zugeschlagen.  Scheiße ist das kalt.

Km 5
Schwimme mehr als das ich Wandere. Der Ponjo,  hängt in Fetzen, meine Regen/Windjacke ist so wasserabweisend wie ein Handtuch und ich bin Nass bis auf die Haut. Der Dauerregen wird nur unterbrochen durch gelegentliche Wolkenbrüche. Mit dem knallgelbe Fetzen den ich anhab,  seh ich aus.....Die mitleidig Blicke meiner Mitpilger sprechen Bände.  Dafür hat wenigstens die Seenotrettung eine Chance mich zu finden,  wenn ich absaufe - so knallgelb wie ich leuchte.



Km 10
Mir ist kalt,  alles schmerzt und die zweite Blase kündigt sich an. Die erste Pausenmöglichkeit.  Einfach unterwegs hinsetzen geht ja nicht - da wirst weggeschwemmt. Die anderen wollen alle bis Artos weiter.  Das sind nochmal 22km. Ich bin jetzt schon am Ende.  Überlege ernsthaft mich hier einzuquartieren.
Überlege schon die ganze Zeit was ich falsch mache und warum ich letztes Jahr keine hatte. Frühstücksbeutel. Ich hatte letztes Jahr Frühstücksbeutel in den Schuhen. Ein Glück das ich wenigstens einen dabei habe.
Nach einer intensiven Pause,  einem zweiten Frühstück und frisch verartzten Füssen,  gehe ich dann doch weiter.

Langsam lässt der Regen nach,  die Blasen machen keinen Ärger und nach ein paar Minuten sind die Muskeln wieder warm.  Komme erstaunlich gut voran.

Km 15
Eine Bar = Pause. Fühle mich erstaunlich Fit.  Werde noch min.  6km gehen.  In Santibanez sind zwei Herbergen.  Danach sind nochmal 11,5 km bis Artos.  Vielleicht lauf ich durch.

Km 20
Die Fussgelenke tun weh, sind völlig überlastet.  Mir geht die Kraft aus.  Die Feldwege sind sehr uneben.  Bei jeder Fussquerstellung schmerzen  die Schienbeine.
Noch 2 km -  gefühlt unerreichbar.

Km 22
Ankunft.  Kann kaum noch stehen.  Die letzten beiden Km waren die Hölle.  Musste alle paar Hundert Meter pausieren. Zum Schluss schien selbst die Bank in 100 Entfernung ewig weg,  die Auberge in 400m unmöglich zu erreichen. Bin völlig am Ende.

Erst mal raus aus den nassen Klamotten,  schlafen gehen und dann waschen.
Leider muss ich gestehen das ich völlig unzureichend ausgerüstet bin.  Ich hab sowohl das Wetter als auch die Temperaturen völlig unterschätzt.

In der Herberge habe ich heute Susanne,  Julia und Steffi kennen gelernt und zusammen abend gegessen.  Alle drei aus Berlin und fliegen wie ich am 26 zurück.  Da Sie ein ähnliches Tempo haben,  werden wir uns garantiert noch öfter treffen.